Eine Maus hat sich ins Haus verirrt.

Eine kleine, junge grau-braune Hausmaus läuft im Keller herum und sucht den Ausgang.
Paul nähert sich ihr langsam, spricht beruhigend zu ihr, greift sie so langsam, wie er sich ihr genähert hat. Und so gerät sie nicht in Panik, als er sie die Kellerstiege hochträgt.
Am Stiegenabsatz springt sie aber doch aus seiner Hand auf den Boden vor ihm.
Sie dreht sich um und sieht ihn an.
Er setzt sich zu ihr.
Er streckt seine Hand aus, und die Maus hüpft zuerst weg, und dann doch hin.
Er streckt die andere Hand aus, und sie flüchtet nur noch zum Schein.
Sie springt mal nach links, mal nach rechts, hat die Situation bereits als entschärft erkannt, will spielen.
Allen Ernstes checkt sie Paul aus, ob er mit ihr spielen würde...
Und er tut's.
Er tut so, als ob er (langsam) nach ihr greifen würde, und sie springt herum und fordert ihn auf, es nochmal zu versuchen.
"Was für kluge Tiere das sind", staunt Paul.
"Innerhalb weniger Sekunden hat sie meine Persönlichkeit ausgecheck, und hat ihr Verhalten der Situation angepasst.
So gut, wie die ist, kommt sie mit Katzen klar, mit Schlangen, mit Menschen und mit Dämonen."
Jetzt will die Maus aber doch raus hier. Aus der engen Situation, auf hartem, glattem Boden ohne Grip, und ohne Möglichkeit, sich zu verstecken.
Sie dreht sich um und läuft zu der Treppe, die nach oben führt, versucht, hinaufzuspringen, schafft es nicht, ist noch zu klein.
Paul hebt sie hoch, trägt sie ins Freie.
Er setzt sich auf den Boden, und sie klettert aus seiner Hand und seinen ärmel hoch, auf seine Schultern, und auf seinem Rücken herum.
Ein paar Minuten lang klettert die Maus ihn gründlich ab, und dann ist sie plötzlich weg.
"Recht so", denkt sich Paul.
Und er erinnert sich, dass im "Hitch-Hiker's Guide To The Galaxy" steht, dass es eigentlich die Mäuse sind, die die Erde beherrschen.
"Warum nicht?", denkt sich Paul.
"Warum nicht? Besser die als so mancher andere..."

Was hatte er zuerst gedacht?
Dass sich die Maus verirrt hätte.
Nun ist er sich nicht mehr so sicher...
Wie würde wohl ein Besuch des Mäusebotschafters aussehen?
Genau so.
War er es also?
Jede Maus ist es.
Jede Katze ein Botschafter des Katzenreichs, jeder Hund und Fuchs einer des Hundereichs, jeder Reiher, Bussard, Falke, Kauz und Storch einer des Vogelreichs...

Was uns zur Frage bringt, was wir ihnen antworten wollen...
Derzeit sieht unsere Antwort auf ihre Anfragen so aus:



Ein Kanaldeckel wurde mit giftgrüner Farbe markiert, um zu zeigen, dass unter ihm nun ein Mäuse- und Rattengiftköder platziert ist.
Wie unter unzähligen anderen Kanaldeckeln auch...
Und neben vielen Betrieben und manchen Häusern...
Und am Radweg, am Bachufer, im Gebüsch, und, und, und...
Ein Rodentizidköder tötet Mäuse, Ratten, Katzen, Hunde, Eulen, Reiher, Bussarde, Falken, Störche, Marder, Igel und Füchse gleichermaßen.
Heimtückisch, zeitverzögert, langsam, grundlos.




Immer noch werden Mäuse und Ratten flächendeckend mit Giftködern vergiftet. Das Gift, ein Gerinnungshemmer, wirkt langsam, die Tiere verenden qualvoll. Bis sie das tun (und das kann Tage dauern) werden sie zur leichten Beute anderer Tiere.
Die sterben dann oft auch, weil sie das Gift in sich aufnehmen ("Sekundärvergiftungen").
Diese Tiere sind Katzen (zuweilen auch Hunde), Marder, Falken, Bussarde, Füchse, Eulen, Igel, Reiher, Störche...
"Gerechtfertigt" wird das Vergiften von Mäusen und Ratten mit dem Argument, dass diese Tiere gefährliche Schädlinge seien, die Nahrungsvorräte gefährden und Krankheiten auslösen.
Doch stimmt das wirklich?
Und gibt es keine andere Möglichkeit, Mäusen und Ratten Herr zu werden, als flächendeckend Giftköder auszulegen, die auch gleich alle diese anderen Tiere gefährden?

Vorsitzender Schmauzke findet: "Nein."
Er denkt, alle diese Tiere würden den Bestand der Mäuse und Ratten auf natürliche Weise regulieren.
Alleine Katzen könnten das schon. Und hielten sich Menschen nicht ursprünglich deswegen Hauskatzen?
Und jetzt lassen die Menschen zu, dass ihre Katzen vergiftet werden, weil sie Mäuse fangen?
Geht's eigentlich noch?
Vorsitzender Schmauz-Ke denkt, das sei ein Geschäft mit der Angst, das seinen eigenen Bedarf schafft.
Er denkt, das Mäuse- und Rattenvergiften sei auch ein Trick, um die Menschen dazu zu bringen, ihren Lebensraum zu vergiften, und sich selbst gleich mit, und sei es nur über den Umweg, dass sie akzeptieren, dass "eh schon alles vergiftet ist, und es eh keine Rolle mehr spielt"...
Was man isst, was man dem Boden antut, was man den Kindern injiziert, was am Himmel versprüht wird, ob man seinen Lebensraum mit Mikrowellen verseucht, um überall mobiles Internet zu haben, usw...

Er hält das für gefährlichen Fatalismus.
Er hält das für einen Teil einer Spirale in den kollektiven Selbstmord.
Mäuse- und Rattenvergiften ist ein weiterer, der andere Teile verstärkt, indem er die ihnen zugrundeliegende Haltung bestätigt.
Ein weiterer Teil ist, dass man seinen Hauskatzen (und Hunden) Flohhalsbänder umhängt, die sie vergiften, und auch gleich die eigenen Kinder mit, und jeden, der mit diesen Tieren Kontakt hat.
Ein weiterer ist, dass Menschen denken, wenn der Nachbar sein WLAN nicht abdreht, bräuchten sie ihres auch nicht mehr abzudrehen...
Wenn sie eigentlich gar kein (extrem schädliches) WLAN bräuchten...

"Eigentlich egal, wo man da ansetzt", denkt sich Vorsitzender Schmauz-Ke. Also tut er es dort, wo er sich auskennt.
Und er appelliert an die Menschen, zu lernen, Mäuse und Ratten auf unschädliche Weise von ihren Häusern fernzuhalten (indem sie sie in Fallen fangen, eine Katze beauftragen, oder Mäuse und Ratten erst gar nicht mit Futter anlocken).
Er appelliert auch dafür, diese Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum, wie den Bachufern, zu akzeptieren und ihnen nicht auch noch dort nachzustellen.
Die Menschen sollten sich an den Grundsatz erinnern "Was Du nicht willst, dass man Dir tut, das füg' auch keinem And‘ren zu!" und sich für einen Moment vorstellen, höhere Wesen als Menschen würden auf Menschen die selben Grundsätze anwenden, wie die Menschen auf Katzen, Hunde, Marder, Falken, Bussarde, Füchse, Eulen, Igel, Reiher, Störche, Ratten und Mäuse.




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